Challenge: Einmal durchs Regal

Mittwoch, 26. Februar 2014

Buchkritik: Wächter der Nacht

"Langsam und ächzend kroch die Rolltreppe nach oben.  Kein Wunder, so alt wie die Station war. Dafür fegte der Wind durch die ganze Betonröhre, zerzauste ihm das Haar, zerrte an der Kapuze, schlängelte sich unter den Schal und drückte Jegor nach unten."


Wächter der Nacht
Sergej Lukianenko
Original: Russisch (Nochnoi Dozor)
525 Seiten


"Vampire, Gestaltwandler, Hexen, Magier - seit ewigen Zeiten leben die so genannten >>Anderen<< unerkannt in unserer Mitte. Und seit ewigen Zeiten stehen sich die Mächte des Lichts und die Mächte der Finsternis unversöhnlich gegenüber, zurückgehalten nur durch einen vor Jahren geschlossenen Waffenstillstand. Zwei Organisationen - den >>Wächtern der Nacht<< und den >>Wächtern des Tages<< - obliegt es, das empfindliche Gleichgewicht der Kräfte aufrecht zu erhalten. Doch nun droht dieses Gleichgewicht zu kippen und die Welt ins Chaos zu stürzen..."

~*~

"Wächter der Nacht" ist der erste von fünf Teilen der Wächter-Reihe von Sergej Lukianenko. Das Buch ist aufgeteilt in drei Geschichten: "das eigene Schicksal", "der eigene Kreis" und "im eigenen Saft". Jede dieser Geschichten beginnt mit einem Prolog. Der Großteil des Buches (die Prologe z.B. nicht) ist in Ich-Form geschrieben, aus der Sicht des Protagonisten.

Der Protagonist ist Anton Gorodezki, Anderer, Programmierer bei der Nachtwache. Anders als sonst befindet er sich jedoch im Außendienst und ist auf der Jagd nach wildernden Vampiren in Moskau. Während seines Einsatzes entdeckt er in der Metro einen schwarzen Wirbelwind über einer jungen Frau. Diese Strudel entstehen durch Flüche und bringen dem Verfluchten gewöhnlich "nur" Unglück, doch dieser wird den Tod der Frau bedeuten. Als Lichter versucht Anton natürlich ihr zu helfen, doch schafft es nicht den Strudel zu beseitigen. Außerdem hat er in diesem Moment die Spur der Vampire aufgenommen, mit welchen er in einen Kampf gerät und einen der beiden dabei umbringt. Er hat fortan die Aufgabe den Jungen Jegor, das Opfer des Paares, vor dem überlebenden Vampir zu beschützen, denn Jegor ist ein Anderer. Anton erfährt aber auch, dass der Strudel über der Frau aus der Metro solche Ausmaße angenommen hat, dass die ganze Stadt in Gefahr schwebt...
Zur zweiten und dritten Geschichte weniger Text, denn ich will ja nichts vorweg nehmen, woraus man schließen kann wie die erste ausgeht.
In der zweiten Geschichte geht es um einen unentdeckten lichten Magier, welcher Dunkle tötet. Die Schuld für diese Morde wird Anton zugeschoben und er versucht herauszufinden, was hinter dieser Intrige steckt.
Die letzte Geschichte dreht sich um Anton's Liebe. Er weigert sich, sich damit abzufinden, dass sie ein Ende finden wird und das zugunsten des "größeren Wohls".

~*~

Was soll ich sagen? Ich mag das Buch. Hauptsächlich liegt das wohl an Anton, den finde ich super. Gleich zum Anfang begegnet er dem Leser missmutig. Seine Mission läuft nicht wirklich erfolgreich, er ist gerade aufgewacht und sein Frühstück besteht aus Blut, nachgespült wird mit Wodka. Entsprechend seiner noch sehr kurzen Zeit bei der Nachtwache ist er recht unerfahren, ihm unterlaufen also viele "menschliche" Fehler, was ihn mir sympathisch macht und näherbringt Durch das ganze Buch zieht sich die Thematik von Schwarz und Weiß. Und Grau. Anton beschäftigt sich viel mit der Frage, ob es denn nun in Ordnung ist, ein kleines Übel zu begehen, wenn daraus eine große, positive Veränderung entsteht. Warum das Gute durch Lügen durchgesetzt wird und das Böse aus der Wahrheit entsteht.


">>Ich muss überhaupt nichts. Ich schulde niemandem etwas. Außer dem Licht in mir.<<"
- Anton Gorodezki

Auch die anderen Charaktere gefallen mir soweit ebenfalls ganz gut.
Nach der Begegnung mit den Vampiren, vor denen Anton ihn gerettet hat, flüchtet Jegor nach Hause und versteckt sich dort. Ein paar Seiten lang schreibt Lukianenko aus der Sicht des Jungen, dessen kindliche Zweifel und Ängste er in meinen Augen gut darstellen kann. Jegor hegt im Übrigen die gleichen Zweifel wie Anton gegen die Machenschaften der Wachen, auf ungleich kindlichere Weise.
Zu den restlichen Charakteren fällt mir nicht mehr ein, außer, dass es ein paar gibt, deren Geheimnisse ich gerne gelüftet wüsste. (Aber es gibt ja noch vier Bücher!)

~*~

Lukianenko hat sich außerdem die Freiheit genommen das Buch mit Songtexten russischer Bands zu spicken. Natürlich sind diese Texte nicht auf seinem Mist gewachsen, aber sie lockern das Geschriebene auf und unterstreichen die vorherrschende Stimmung. Ich weiss nicht, wie bekannt diese Bands sind, aber es macht sicher einiges aus, wenn man die entsprechenden Lieder kennt.
Meine liebste dieser Textstellen:

"Wen trifft die Schuld, dass deine Kraft,
Die dich gen Himmel trug, erschlafft,
Dass du nicht findest, was du suchst,
Und das Gefundene verfluchst?
Und wer ist schuld, dass Tag für Tag,
Gelenkt von fremdem Stundenschlag
Das Leben fließt aus dir heraus
Und öd und einsam wird dein Haus?
Der Ton verstummt, das Licht wird fahl,
Und jedes Mal kommt neue Qual,
Und wenn dein Schmerz allmählich nachlässt -
Ist das nächste Unglück nicht mehr weit."

~*~

Was ich davon halten soll, dass das Buch in drei Geschichten geteilt ist, weiss ich nicht so recht. Zum einen macht es das Lesen einfacher, denn es schafft kleine "Häppchen" und nach einer Geschichte kann man ein kleines Päuschen einlegen, denn an die wichtigsten Sachen fürs Weiterlesen erinnert man sich auch danach noch und man braucht auch nicht viel mitnehmen. Andererseits natürlich sind es eben auch nur diese kleinen Häppchen und nichts großes, schwer komplexes, was ich natürlich gerne habe und irgendwie auch erwarte, wenn ich ein dickes Buch lese.
Weiterhin gefällt es mir weniger, dass, zumindest für mich, das Ende der ersten Geschichte recht offensichtlich war und das ende der dritten Geschichte irgendwie... mhm.. es wurde Spannung aufgebaut und dann verpuffte diese einfach. Das war etwas unbefriedigend.
Achja und die (langen) Dialoge empfand ich als etwas schwieriger zu lesen als den Rest. Irgendetwas war mir da nicht rund genug. Vermutlich liegt es auch daran, dass das Buch ursprünglich auf Russisch geschrieben wurde und die Sprache ist ja doch eine ganz andere.

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Fazit: 
Ich mag den Schreibstil des Autors (bzw die Übersetzung), die Fantasy-Elemente im modernen (? :D) Moskau und ... Anton! <3
Durch die Unterteilungen in Geschichten ist das Buch schnell und einfach, aber dennoch gut zu lesen und spannend. Die restliche Reihe werde ich mir auch vornehmen.

~*~

Achja und es gibt Filme zur ersten und zur zweiten Geschichte. Den ersten habe ich gesehen. Andere fanden ihn nicht so gut. Aber ich liebe einfach Anton, deswegen habe ich mir den Film gerne angesehen, denn auch da gefällt mir sein Charakter gut.
Soweit ich weiss ist es auch ein Low-Budget-Film und dafür sind die Spezialeffekte echt nicht schlecht.
Die Handlung wurde geändert, aber ich denke ausnahmsweise sogar dass das für den Film in Ordnung ist. Das macht alles etwas schlüssiger und einfacher.
Den zweiten Film werde ich mir auch demnächst anschauen. Womöglich gibt es sogar einen kleinen Nachtrag dazu.

Quelle

~*~

">>Nun ja, Anton, man kann schließlich nicht immer gewinnen. Auch mir ist es nicht geglückt. Und dir wird es ebensowenig gelingen.<<
>>Ich weiß<<, erwiderte ich. >>Natürlich weiß ich das, Geser. Aber trotzdem wäre es einfach zu schön.<<"

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